Maßnahmen & Beispiele

Maßnahmen zu einer alters- und alternsgerechten Arbeitsorganisation
Folgende Maßnahmen und konkrete Beispiele sollen dazu anregen, Arbeit auch im eigenen Unternehmen alters- und alternsgerecht zu organisieren. Wichtig ist es, dabei im Auge zu behalten, dass jedes Unternehmen eigene Rahmenbedingungen hat und nie 1:1 mit anderen verglichen werden kann. Gestalten Sie daher Ihren eigenen Weg und Ihre eigenen Lösungen – es lohnt sich für jedes Unternehmen!


Wie können einseitige Belastungen vermieden oder reduziert werden?

Tätigkeitswechsel bzw. Rotationsmodelle
Unterschiedliche Tätigkeiten werden von Mitarbeiter*innen im Laufe eines Tages, einer Woche oder im Laufe mehrerer Monate ausgeführt. Mit einem „Rotationsmodell“ ist also ein systematisierter Arbeitsplatz- oder Tätigkeitswechsel in einem gewissen Zyklus gemeint. Es setzt voraus, dass „rotierende“ Mitarbeiter*innen umfassender qualifiziert werden. Es hat den positiven Effekt, dass Einseitigkeit verringert, und Entfaltungsmöglichkeiten und Flexibilität erweitert werden. Mitarbeiter*innen, die in einem Rotationsmodell arbeiten, können eventuelle Schnittstellen und Abläufe besser überblicken und wissen eher, was an diesen noch verbessert werden kann. Auch werden krankheitsbedingte Ausfälle leichter kompensiert, weil man bei verschiedenen Tätigkeiten einspringen kann. Durch Rotation kommt es auch unter den Mitarbeiter*innen  zu mehr persönlichen neuen Kontakten innerhalb der Abteilung bzw. des Unternehmens. Denken, das über „den Tellerrand“ hinausreicht, wird gefördert.
Beispiel aus einem mittelgroßen Krankenhaus

Alternsgerechte Berufsverläufe
In alternsgerechten Arbeitskarrieren werden Berufsverläufe so organisiert, dass ein systematischer Belastungswechsel zur Erhaltung der Arbeitsbewältigungsfähigkeit über das gesamte Berufsleben hinweg ermöglicht wird. Eine bestimmte (An-) Ordnung (ein bestimmtes Zusammenspiel) von Anforderungen, Anreizen und Belastungen soll dabei unterstützen, das Pensionsalter gesund zu erreichen. Ein Wechsel an Anforderungen und vielseitige statt einseitiger Beanspruchungen helfen Mitarbeiter*innen, laufend neues Wissen zu erwerben. Dafür ist eine kontinuierliche Weiterbildung am Arbeitsplatz, arbeitsplatznahe oder außerhalb der Arbeit durch externe Weiterbildungsmaßnahmen notwendig. In der Personalentwicklung spricht man von Maßnahmen „on“, „near“ und „off the job“.
Beispiel aus einem Autohaus in einer Kleinstadt

Arbeitsbereicherung und Arbeitserweiterung (Job-Enrichment- und Job-Enlargement-Modelle)
Arbeitsbereicherung (Job-Enrichment) bedeutet, mehr Verantwortung und neue Aufgaben zu übernehmen oder auch Projekte umzusetzen. Zum Beispiel Aufgaben im Außendienst, durch Aufbau neuer Kund*innenkontakte, Übernahme der Funktion der Teamleitung etc.
Der große Vorteil von Arbeitserweiterung (Job-Enlargement) ist Abwechslung – sie fördert Interesse und motiviert Mitarbeiter*innen  in einem hohen Maß. Arbeitserweiterung bedeutet etwa, vor- und nachgelagerte Tätigkeiten übertragen zu bekommen (z. B. Vorprodukte aus dem Lager beschaffen und die Qualitätskontrolle durchführen).
Beispiel aus einem mittelgroßen Produktionsunternehmen

Austausch einzelner Aufgaben
Wenn Aufgaben durch andere Aufgaben ersetzt werden bzw. ein gesamtes Aufgabenfeld gewechselt wird, geht dies jedenfalls mit einem Lernprozess einher. Dieses Modell findet häufig bei gesundheitlichen Einschränkungen Anwendung, die eine Ausübung der ursprünglichen Tätigkeit nicht mehr zulassen. Voraussetzung dafür ist meist eine gute Einschulung bzw. Umschulung der Betroffenen. Was erreicht wird, ist eine positive Perspektive für das zukünftige Arbeitsleben und Identifikation von Mitarbeiter*innen mit dem Unternehmen, die sich andernfalls um eine Beschäftigung in anderen Unternehmen kümmern müssten. Wenn Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können und alternative „gefunden“ werden müssen, kann es zum Wechsel ambitionierter Mitarbeiter*innen z.B.  in die Qualitätssicherung, in Schulungs- oder Mentoringprogramme oder Unterstützungstätigkeiten für jüngere Kolleg*innen kommen. In folgendem Beispiel konnte der Wechsel in eine andere Abteilung helfen.
Beispiel aus einer Großfleischerei

Altersgemischte Teams
Altersgemischte Teams mit verteilten Aufgaben, die eng miteinander kooperieren, ringen die Stärken der jeweiligen Lebensphasen mehr zur Geltung bzw. ergänzen einander. Positive Effekte, produktiveres Arbeiten kann durch ein systematisches „Voneinander-Lernen“ erreicht werden. Die Unbefangenheit Jüngerer, ihr Tempo, ihr frisches Fachwissen gepaart mit der Expertise, Erfahrung, Weit- und Umsicht Älterer ergeben insgesamt ein kompetenteres Team.
Beispiel aus einem Installationsunternehmen mit 20 Beschäftigten
Beispiel: Starkstrommonteure im Einsatz

Anpassung von Arbeitszeiten und Pausen
Meistens geht es bei alternsgerechtem Arbeiten für ältere Mitarbeiter*innen  um eine Reduzierung von schweren Tätigkeiten, langen Arbeitszeiten  und um die Förderung von Pausen, in denen man sich gut erholen und damit die Arbeitsfähigkeit besser erhalten kann. Es ist schon lange bekannt, dass beispielsweise kleine, wiederkehrende Pausen, sogenannte Mikropausen (das sind sehr kurze Pausen von wenigen Minuten), die Arbeitsfähigkeit steigern. Dennoch werden sie in der Praxis viel zu wenig beachtet und häufig nicht, oder zu spät, eingehalten. Gerade mit dem Älterwerden werden sie jedoch besonders notwendig, da die Reservepuffer eingeschränkt sind und die Regenerationszeit deutlich zunimmt.
Beispiel von einem Vorarbeiter in einem Lager

Alternsgerechte Arbeitszeiten bedeuten mehr Autonomie bei der Einteilung von Arbeit und Arbeitspausen. Arbeitnehmer*innen haben je nach Alter und privater Situation häufig sehr unterschiedliche Wünsche, was die Dauer ihrer Arbeitszeit anbelangt. Jüngere wollen tlw. länger arbeiten und dazwischen größere Freizeitblöcke haben, oder von Haus aus nur in Teilzeit, z.B. 30 Stunden arbeiten. Vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten sind mit zunehmendem Alter kürzere Dienste besser, weil ab einer gewissen Stundenanzahl im Arbeitsprozess Beanspruchung, Ermüdung, Unfallhäufigkeit und Leistungsabfall stark zunehmen.
Beispiel aus einem mobilen Pflegeunternehmen


Schichtplangestaltung, die dabei hilft, auch mit Schichtarbeit länger gesund zu bleiben

  • Vorwärtsrotation des Schichtplans (mit der Uhr: Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht)
  • Maximal zwei Nachtschichten hintereinander
  • Mehr Wochenenddienste und dafür weniger Arbeiten in der Nacht als individuelle Lösung für Mitarbeiter*innen, die besonders belastet sind
  • Schichtlänge (v. a. für Nacht) mit maximal acht Stunden, wo immer das möglich ist
  • Zusatz-/Einspringschichten so lange wie möglich vorplanen, um nicht unvorhergesehen einspringen zu müssen
  • Schichtbeginn möglichst spät – um 6.00 Uhr morgens ist man noch im Leistungstief
  • Schichtarbeit reduzieren und regelmäßiges Erholen erleichtern
  • Ernährung, z. B. warmes Essen während der Nacht, Nachtschichtsuppe. Warmes und leichtes Essen wirkt während der Nachtschicht besonders unterstützend, weil in der Nacht die Körpertemperatur absinkt, was die Arbeitsfähigkeit erschwert. Durch kaltes und schweres Essen wird es für den Körper noch schwieriger, „auf eine gute Betriebstemperatur zu kommen“ 

Beispiel aus einem Schalungsbau-Unternehmen



Neue Arbeitswelten und neue Arbeitsweisen

Frithjof Bergmann, ein Austroamerikaner, entwickelte in den 1980er Jahren das Konzept „New Work“. Er meinte, dass Menschen, ihre Arbeit wieder als sinnvoll erleben und eigenverantwortlich und selbstbestimmt arbeiten sollten. Autonomie bei der Arbeitsgestaltung kann zu größerer Motivation und höherer Zufriedenheit führen. Dieses Konzept kann prinzipiell in Unternehmen unterschiedlicher Branchen angewendet werden. Beispielsweise durch: 
 

  • Schaffung vonTeil-Autonomie in Teams bei der Aufteilung ihrer Arbeit (z.B. in der Produktion, bei Dienstleistungen)
  • Ermöglichung von Gestaltungsfreiraum bei Arbeitsabläufen
  • Information, um die Bedeutsamkeit der eigenen Arbeitsschritte innerhalb des Betriebs zu erkennen 
  • positive Motivation durch wertschätzendes Feedback
  • Stärkung der Zugehörigkeit zum Unternehmen. 
     

Mit der Digitalisierung hat New Work einen Aufschwung erlebt, es wurden v.a. Voraussetzungen für Flexibilisierung und Selbstbestimmung geschaffen, weil durch die Digitalisierung Arbeit anders organisiert werden kann und Wissen sowie Menschen vernetzt werden können, egal von wo sie arbeiten. Arbeit wurde also agiler und Arbeitsplätze flexibler. Auch Coworking Spaces, in denen man sich zeitweise aufhält, sind eine Konsequenz der Digitalisierung.  

Eine Studie aus dem Jahr 2021/ 2022 mit 1.700 Befragten zeigt , dass etwa die Hälfte der Unternehmen in Österreich beim mobilen Arbeiten mehr Gestaltungsspielraum wie flexibler Arbeitsbeginn/flexibles Arbeitsende, Unterbrechungen während des Tages, Nutzung von mobilem Arbeiten für Fenstertage etc. anbietet.

Selbständiges Arbeiten wird durch disloziertes Arbeiten gefördert, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit werden aber unklarer und verschwimmen und es bedarf daher ausreichend Kompetenz, um auf Balance zu achten, Selbstfürsorge spielt eine wichtige Rolle.

Weitere Voraussetzung für ein zufriedenstellendes mobiles Arbeiten ist, dass Mitarbeiter*innen aller Altersgruppen in digitale Technologien gut eingeschult werden   und der soziale Kontakt zum Unternehmen, zu den Kolleg*innen gewahrt und gefördert wird. Für jene (Mitarbeiter*innen, welche noch nicht mit Smartphone, Internet, etc. aufgewachsen sind,) gab es anfänglich bei disloziertem Arbeiten einige technische Hürden, die mit Unterstützung der Unternehmen rasch gelöst werden konnten. Bei Jüngeren stellten meist nicht die technischen Anforderungen Herausforderungen dar, sondern eher das Ausmaß von online sein, fehlender persönlicher Kontakt zu Kolleg*innen, und auch die Selbstorganisation. 

Fazit: Soziale Vernetzung (auch durch virtuelle Teammeetings), technische Einschulung, Fähigkeit und Möglichkeit zur Selbstfürsorge sind bei disloziertem Arbeiten wichtig, um Arbeitsleistung und Zufriedenheit zu fördern.


Neue Arbeitsmittel
Neben der Digitalisierung der Arbeitswelt, kommen neue Technologien auch in ganz anderen Bereichen zum Einsatz. Da mit dem Älterwerden vor allem schwere Tätigkeiten besonders belasten, können Arbeiter*innen bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten mittels Exoskeletten unterstützt werden. Diese Exoskelette, finden derzeit schon in der Industrie Gebrauch, werden aber auch in der Pflege an Bedeutung gewinnen, überall dort wo schwer gehoben, getragen oder auch über Kopf gearbeitet wird. Durch das „Anschnallen“ bzw. Umschnallen von mechanischen „Skeletten“  wird die körperliche Kraft des Menschen verstärkt und Belastungen und Abnützungen  verringert. Ob und wie sie verwendet werden, ist im konkreten Anwendungsfall mit den Präventivfachkräften und Belegschaftsvertreter*innen zu prüfen.


Übergangsmanagement wird immer wichtiger
Durch den hohen Anteil älterer Arbeitnehmer*innen (Baby Boomer) gewinnt der Übergang von der Erwerbsphase in die Pension eine besondere Bedeutsamkeit.  Einerseits geht es darum, dass ausscheidende Mitarbeiter*innen an die nachfolgenden Kolleg*innen gut übergeben können - was von den Betroffenen als wertschätzend empfunden und von den Nachfolger*innen als unterstützend erlebt wird. Diese Phase kann gut von Führungskräften durch Wissensmanagementtools begleitet und sollte bereits einige Zeit (mehrere Monate) vor dem Ausscheiden geplant werden. Anderseits geht es auch um eine Neuorientierung bei den Ausscheidenden. Dem Wegfall von Arbeit muss im besten Fall gezielt und wohl überlegt etwas Neues gegenüberstehen. Coaching oder Pensionsvorbereitungsseminare können hier unterstützend sein.

In fast jedem Arbeitsleben finden vor der Pensionierung bereits verschiedene Übergänge statt (von der Lehre ins Berufsleben, von der Karenz in die Arbeit zurück, Rückkehr nach längerer Erkrankung, Wechsel in andere Bereiche usw.)., Wenn diese  gut gelingen, fördern sie Arbeitsfähigkeit und einen längerem Verbleib im Arbeitsleben 

In einem Arbeitsleben gibt es - abgesehen von der Pensionierung - noch viele andere Übergänge und Veränderungen.

Eine gute Begleitung fördert die Arbeitsfähigkeit und den Verbleib im Unternehmen:

  • Einstieg in das Erwerbsleben 
  • Onboarding von neuen Mitarbeiter*innen
  • Babypause, Karenz, Wiedereinstieg
  • Bildungsphasen/Karenz
  • Bewerbung um eine andere Position innerhalb der Organisation 
  • Übernahme neuer Aufgaben,
  • der Wiedereinstieg in die Arbeit nach einer längeren Erkrankung 
  • der Wechsel von Selbständigkeit in die Unselbständigkeit oder auch umgekehrt

Die Dynamiken innerhalb der jeweiligen Veränderung ähneln sich:

  • Entscheidung für eine Veränderung 
  • Loslassen und Übergabe
  • Neuorientierung
  • Hineinwachsen in das Neue und Wachsen im Neuen
  • Reifen und Ernten
  • vielleicht gesättigt sein und wieder an eine Veränderung denken, entscheiden, übergeben, ausgleiten und übergleiten in die nächste Phase. 


Veränderungsphasen sollen von Unternehmen unterstützt und begleitet werden. Eine Begleitung von Übergängen ist ratsam und hilfreich für das Unternehmen wie für Betroffene, um Wichtiges zu sichern, um optimale Bedingungen für Übergänge zu gestalten, als Wertschätzung für Betroffene und um als Organisation zu lernen.